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Die Ursachen des Putschs in Niger reichen vom französischen Imperialismus bis hin zur Lebensmittelkrise. Das kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass Niger ein Mosaikstein in der sich verändernden Weltordnung ist – zu Ungunsten Europas.

Der Putsch in Niger erschüttert die fragile post-koloniale Herrschaft Frankreichs über den nordwestafrikanischen Raum. Offiziell hatte Frankreich bereits in der Nachkriegszeit seine Herrschaft in der Region abgewickelt. Doch in vielen Staaten herrschte Paris mal sichtbarer, mal unsichtbarer. Mit dem CFA-Franc hat das französische Mutterland seine längst entlassenen Töchter an sich gebunden – und damit auch an den europäischen Wirtschaftsraum.

Was geschieht, wenn eine Nation in der Region versucht, aus dieser mütterlichen Bindung zu fliehen, hat Frankreich bereits in der Vergangenheit gezeigt. Es war das Libyen Muammar al-Gaddafis, das aufgrund seines Ölreichtums versuchte, eine durch Ressourcen gedeckte Alternativwährung aufzubauen. Gaddafis panafrikanischen Visionen sind bekannt. Um die Nachbarstaaten besser an sich zu binden und aus der französischen Umarmung zu lösen, hatte der Diktator einen Hort von über 143 Tonnen Gold angelegt. Darauf sollte ein „panafrikanischer Dinar“ fußen. So schrieb es Sidney Blumenthal, damals Berater der US-Außenministerin Hillary Clinton, in einer Mail vom 2. April 2011.

Über die Reaktion in Paris schreibt Blumenthal: „Französische Geheimdienstoffiziere entdeckten diesen Plan kurz nach Beginn der anhaltenden Rebellion und er war einer der Faktoren, die die Entscheidung von Präsident Nicolas Sarkozy beeinflussten, Frankreich zum Angriff auf Libyen zu verpflichten.“ Der Rest der Geschichte ist bekannt. Unter französisch-britischer Agitation trieb die Nato eine Intervention voran. Italien, das Libyen seit zwei Jahrhunderten als seine Einflusssphäre betrachtete, wurde damals an die Leine genommen. Italiens damaliger Premierminister Silvio Berlusconi verlor mit Gaddafi einen wichtigen Verbündeten, der Ressourcen an Italien verkaufte, italienischen Firmen Vorzugsrechte gab und im Gegenzug Libyen dafür bezahlte, die Migration im Mittelmeer zu stoppen.

Es ist nur eines der bekanntesten Beispiele französisch-imperialistischer Politik. Die Zeit der direkt kontrollierten Kolonien mag vorbei sein, aber subtilere, nicht weniger effiziente Instrumente stehen mit Währungen und Großkonzernen zur Verfügung. Dass Frankreich sich – wie im italienischen Libyen-Beispiel – auch gegen vermeintliche Partner durchsetzt und souverän seine Interessen verfolgt, hat dazu geführt, dass afrikanische wie europäische Partner diese Politik mit immer mehr Skepsis verfolgen. Es sollte nicht wundern, dass in Rom einerseits die Ausbreitung islamistischer Ideologie und die Erosion westlicher Dominanz in der Region mit Sorge registriert wird; andererseits auch eine gewisse Schadenfreude darüber herrschen dürfte, dass Frankreich die Quittung für sein arrogantes Verhalten vor Ort bekommen hat.

Die Vorgänge in Niger sind damit zum einen ein Beweis für die Erosion der französischen Dominanz. Nach Mali und Burkina Faso bricht auch Niger weg, das bis dato als stabiler Anker französisch-westlicher Autorität galt. Man sollte dabei tunlichst vermeiden, dies nur als französische Angelegenheit zu betrachten. Frankreich wird am deutlichsten geschwächt, aber trotz der fraglichen Entsendung von Bundeswehrsoldaten in diese Gebiete kann nichts darüber hinwegtäuschen, dass die von nicht-afrikanischen Konzernen ausgebeuteten Ressourcen letztlich in den Westen gehen und der gesamteuropäische Markt davon profitiert. Solange der deutsche Strommarkt von französischen Importen aus Kernenergie abhängig ist, und Uranzufuhren vielleicht nicht ausfallen, aber umdisponiert werden müssen und damit teurer werden, hat eine Verteuerung des Atomstroms zuletzt auch eine Wirkung auf die deutsche Wirtschaft (und nicht nur diese).